Wie naiv kann man eigentlich sein? Dass man ernsthaft denkt, im Jahr 2024 sei in jedem Business Hotel das W-LAN so stark, dass man von dort mobiles Arbeiten und ein Webinar via Zoom möglich ist. Dabei ist doch klar, dass das nicht gehen kann, oder? *Ironie aus*.
Für meine viertägige Geschäftsreise nach Berlin hatte ich das Hampton by Hilton gebucht, um die Ecke vom Savignyplatz, sehr nah bei meinem Kunden, Frühstück ausreichend, prima gedämmte Fenster, großes Zimmer. Also alles okay, wenn man als Touristin in der Stadt ist. Ich brauchte aber W-LAN, um Montagabend an einer Fortbildung teilzunehmen und Dienstagmittag ein vierstündiges Webinar zu geben.
Bisschen langsam, das W-LAN, um mobiles Arbeiten möglich zu machen
Direkt, nachdem ich angefangen hatte, im Zimmer zu arbeiten, fiel mir auf, dass die Internetverbindung ziemlich langsam war. Kein Problem mit 24 GB freien Daten. Ich nutzte mein Handy als Hotspot. Abends begann das Webinar, ich versuchte mein Glück über das W-LAN und wurde dreimal in 15 Minuten aus der Zoom-Konferenz geworfen. „Das wird morgen heiter“, dachte ich, und stieg wieder auf mobile Daten um. Jetzt war die Zoom-Konferenz bis zum Ende stabil, aber leider hat zum Ende hin das Smartphone die Info gegeben, dass es überhitzt sei. Mein Webinar am nächsten Tag sollte mehr als doppelt so lang sein wie die Zoomkonferenz, das Handy als Hotspot schied jetzt also aus.
Auf dem Weg zu meiner Abendverabredung stoppte ich an der Rezeption: Nein, ein besseres W-LAN gegen Bezahlung habe man leider nicht. Ich könne mich aber ins Business Center ganz hinten setzen, der Server-Raum sei direkt daneben. Okay, dachte ich, das werde ich morgens bei einer Videokonferenz testen.
Vorsorglich ging kurz in einen Vodafone-Laden und fragte nach einem GigaCube. Der Verkäufer riet mir davon ab, er funktioniere nur mit einem monatlichen Tarif. Das wiederum ist für mich Quatsch, denn ich habe ja einen Business Anschluss in Köln und brauche mobiles W-LAN nur manchmal – bisher eher selten. Außer zuletzt vor 12 Jahren in Tansania: Damals hatte ich einen mobilen Router dabei, der sehr gut funktionierte. Zu einem solchen Gerät von Saturn oder Mediamarkt mit Prepaid-Karte oder einem Hotspot mit Tagestarif riet mir der Verkäufer.
Tipp: Eine Übersicht aller Möglichkeiten für mobiles Arbeiten lest ihr hier.
Coworking, Hotspot, Business Center – was alles nicht klappt
Einigermaßen beruhigt traf ich mich mit einer Kollegin, die für Berlin noch den Coworkingspace der Deutschen Bank ins Spiel brachte: 15 Euro pro Tag, aber vorher Anfrage per Mail. Dafür hatte ich keine Zeit. Außerdem bot sie mir ihr Wohnzimmer an. Ich dankte in der festen Überzeugung, dass sich doch wohl eine andere Lösung finden lassen würde.
Nächster Morgen, ich wundere mich im Business Center über die Club-Beschallung aus den Lautsprechern und ärgere mich über laute Familien, die sich eben mal die Ecke mit den Computern anschauen wollen. Gleichzeitig brach bei mir die Verbindung zum Videocall ab. Die Nähe zum Serverraum hatte also das Problem nicht gelöst.
Coworking Spaces und Cafés mit W-LAN hatte ich bis dahin bereits gecheckt. Es gab verschiedene Probleme, die mobiles Arbeiten für mich unmöglich machten:
- Ende um 18 Uhr – mein Webinar ging aber offiziell bis 18 Uhr, eine kurze Verlängerung ist immer drin.
- Ich hätte vorher eine Anfrage schicken müssen.
- Ich müsste einen Rahmenvertrag schließen.
- Ich kann nicht vier Stunden meine gesamte Umgebung beschallen.
Auf zu Saturn
Daran scheiterte auch meine Anfrage bei den Coworking Spaces der Deutschen Bahn. Sie werden zum Ende des Jahres geschlossen, weil die Nachfrage zu gering ist. Naja, sie wurden passend zu Covid 2020 eröffnet, kein Wunder also. Bei meinem Anruf in Berlin habe ich jedoch erfahren: Man sei just heute voll wegen einer Veranstaltung. Und für ein Webinar bräuchte ich einen Konferenzraum, und nicht einen Einzelpaltz, das ist natürlich gleich sehr viel teurer. Vodafone- und Telekom-Hotspots, die der freundliche Mitarbeiter ebenfalls empfohlen hatte, gibt es in Berlin übrigens sehr, sehr viele – aber leider nicht in der Nähe des Hotels.
Also auf zu Saturn. Der junge Mann, den ich nach einem mobilen Router frage, sagt: „Kunden haben mich schon nach allem gefragt, aber nie nach einem mobilen Router“. Großartig, denke ich. Mit ihm gemeinsam finde ich den einzigen, der noch da ist, und ich denke, ich bin doch ein Glückspilz. Die Prepaidkarte bekomme ich zwei Stockwerke tiefer. Dort nimmt sich ein Mann viel Zeit für mich und erklärt mir alles sehr genau. Auch, dass ich die Prepaidkarte zunächst im Handy von ihrer PIN befreien muss. Er zeigt mir sogar am iPhone, wo ich das machen und schenkt mir eine Büroklammer, um im Hotel überhaupt das SIM-Karten-Fach am Handy öffnen zu können. Ich bin ihm sehr dankbar und gehe beschwingt und 85 Euro ärmer zurück ins Hotel.
Dann wird’s wild
Dort packe ich den mobilen Router aus. Beim Öffnen der sehr festsitzenden Rückseite brechen mir gleich zwei Fingenägel ab, und ich bin froh, dass ich Glückspilz, der ich bin, zufällig mein Reisenecessaire im Koffer finde. Mit dem Nagelreiniger bekomme ich die Rückseite geöffnet. Leider ist es im Zimmer ziemlich dunkel und die Anleitung unfassbar klein geschrieben. Ich entziffere den Text mit der Zoom-Funktion in der Handykamera: Man solle die SIM-Karte wie abgebildet einlegen. Die Abbildung ist wenig aufschlussreich: Ich sehe nicht, ob die abgeschrägte Ecke oben oder unten liegen soll. Letztlich versuche in der kommenden Dreiviertelstunde beides aus. Erfolgreich bin ich damit nicht.
Nächster Schritt: Lade den Router auf. Hurra! Ich Glückspilz habe noch ein Ladegerät dabei, in das man nicht USB-C sondern einen USB-Anschluss stecken kann. Doch als ich weiterlese, fange ich an, an meinem Vorhaben zu zweifeln. Ich soll den mobilen Router nämlich ans Laptop anschließen. Das hat aber keinen USB-Anschluss mehr. Nochmals bin ich ein Glückspilz, weil ich einen Appleadapter auf für USB bei mir habe – aber leider hilft mir das nicht weiter: Der Router blinkt rot, blau und grün. ChatGPT sagt, ich solle näher ans Fenster gehen, die Karte anders einlegen oder den Reset-Knopf drücken, der auf der Innenseite des mobile Routers unter dem Akku angebracht ist. Dort klebt übrigens auch das Passwort fürs W-LAN. Aber egal, was ich versuche, ich komme mit dem Gerät nicht ins Internet.
Die Zeit rennt. Es ist Viertel vor 12, um Viertel nach eins soll ich den Account meines Kunden übernehmen, um das Webinar durchzuführen. Ich brauche eine Lösung. Jetzt.
Tja. Ich rufe die Kollegin an, die mir angeboten hat, ihr Wohnzimmer zu nutzen. Sie sagt ja, ich packe in Windeseile meine Sachen, fahre etwa 35 Minuten durch die Hauptstadt, schlage meinen Laptop am Esstisch auf und habe endlich ein stabiles W-LAN.
Danke für die Hilfsbereitschaft: Mobiles Arbeiten wird künftig für mich in Berlin einfacher
Ich habe diese Geschichte seither vielen menschen erzählt. Eine weitere Kollegin aus Berlin hat mir angeboten, dass ich sie in solchen Fällen immer anrufen kann, und sogar mein Kunde sagte, ich könne jederzeit sein W-LAN nutzen. Ich bin allen Menschen sehr dankbar, die mich unterstützt haben oder unterstützen würden. Aber ganz ehrlich: Das kann’s doch nicht sein. Nicht im Jahr 2024, und nicht, wenn man Webinare zum Thema Künstliche Intelligenz gibt.
Was ich in Berlin alles nicht gemacht habe
Die Suche nach W-LAN für mein mobiles Arbeiten hat mich vier Stunden gekostet. In der Zeit wollte ich einige Arbeiten für Kunden erledigen. Das habe ich dann abends nach dem Webinar gemacht. Ich war außerdem nicht im Fitnessraum für meine tägliche Einheit Sport. Und auch nicht in einer Ausstellung, die ich gerne besucht hätte.
Beim Auschecken habe ich dem Herrn an der Rezeption auf seine Frage geantwortet, dass im Prinzip alles okay war, ich aber nicht mehr in diesem Hotel auf Geschäftsreise übernachten werde, weil das W-LAN unangemessen langsam ist. Er kniff die Lippen zusammen, sagte, das tue ihm leid und drehte sich weg. Nun ja, er kann nichts dafür.
P:S.: Hätte ich eine Stunde mehr Zeit gehabt, hätte ich das Problem übrigens gelöst. Auch mit besseren Augen oder einer größer geschriebenen Gebrauchsanleitung wäre mir irgendwann aufgefallen, dass es im Router einen zweiten Slot gibt. Natürlich war dieser der richtige. Das ist mir aber nicht aufgefallen, weil die SIM-Karte perfekt in den ersten, falschen Slot passte. Um den zweiten nutzen zu können, brauchte ich eine Art Kartenadapter. Der war im Paket zwar dabei, aber so fisselig zu benutzen, dass ich ehrlich gesagt in meinem Stress nicht einmal ansatzweise auf die Idee kam, dass dies die Lösung sein könnte.