Fachkräftemangel in den Behörden, bei den Transportunternehmen, bei der Flughafensecurity – und zunehmend auch im Journalismus und der Medienbranche. Es sei ein Arbeitnehmer*innenmarkt all überall, höre ich ständig. Und trotzdem sind meine Erfahrungen mit dem Fachkräftemangel im Journalismus andere. Und ich weiß nicht so recht, woran das liegt.
Warum mich als Selbstständige der Fachkräftemangel im Journalismus überhaupt interessiert
Wenn man 20 Jahre selbstständig ist und insgesamt 26 Jahre in der Medienbranche arbeitet, dann hat man schon alles gesehen, sollte man denken. Aber was mich da im Herbst 2022 erreicht hatte, das hat mich sprichwörtlich einige Wochen gelähmt. Denn obwohl ich glimpflich durch die Coronapandemie gekommen war, ging plötzlich gar nichts mehr: Inflation, Krieg in der Ukraine. Meine Kund*innen hielten ihr Geld zusammen. Über Wochen und Monate kamen keine Aufträge rein, nicht einmal Mails. Ich hing mit drei Aufträgen bis Januar in der Luft. Und das war die Zeit, als ich wieder den Jobnewsletter vom Newsroom abonnierte und mein Profil bei StepStone aktivierte.
Da gab es drei Stellen, die interessant waren: Alle drei hatten mit Online zu tun, zwei waren in Köln. Dank StepStone ist es sehr praktisch geworden, sich schnell zu bewerben. Ausführliche Bewerbungsmappen mit Anschreiben sind nicht mehr nötig – sollte man zumindest denken, wenn es diese technischen Möglichkeiten gibt: Profil anlegen, Schnellbewerbung anklicken. Also habe ich sie genutzt.
Frustrierende Erfahrungen mit den Schnellbewerbungen
Eine Firma suchte jemanden für einen Newsletter. Ich habe meine Schnellbewerbung im Oktober geschickt. Die Absage kam im November:
Eine zweite Firma suchte damals und sucht aktuelle wieder eine*n Regionalredakteur*in. Die Absage kam Anfang November:
Bei der dritten Stelle ging es um Verbraucher*innenthemen. Die Antwort des Unternehmens kam sehr schnell, war aber auch etwas kurz und bündig:
Auf meine sehr ausführliche und lange Antwort habe ich von dem Unternehmen nichts mehr gehört. Sie lautete:
Ernsthaft Fachkräftemangel im Journalismus?
- Jetzt muss ich fairerweise dazu sagen, dass ich mich nicht festanstellen lassen wollte, sondern den Firmen angeboten habe, in Teilzeit oder als Freie für sie zu arbeiten. Beides ist im Journalismus nicht ungewöhnlich. Trotzdem scheint das für die Redaktionen nicht in Frage zu kommen, das finde ich befremdlich. Speziell in Zeiten von Work-Life-Balance, der Diskussion um die Vier-Tage-Woche und dem Fachkräftemangel.
- Ein zweiter Grund könnte sein: Ich bin zu teuer. Das halte ich für wahrscheinlich. Dann aber ist der Fachkräftemangel noch nicht richtig im Journalismus angekommen.
- Dritte Möglichkeit: Ich bin zu alt. Frauen mit über 50 traut man keine Onlinekenntnisse zu. Wobei wenn es so wäre, auch das kurzsichtig wäre. Wir leben in Zeiten der Quereinsteiger*innen.
- Möglichkeit 4: Ich bin zu lange selbstständig und Unternehmen können sich nicht vorstellen, dass man nach so langer Zeit nochmals in eine Festanstellung geht. Ich gebe zu, dass das eine Herausforderung sein könnte. Genau darum habe ich mich aber eher als Freie beworben und das auch nicht verheimlicht.
Auftragslage schäumt über
Heute ist mir das völlig egal, denn ich habe eine hervorragende Auftragslage. Das liegt auch daran, dass es Unternehmen gibt, die wissen, wie schwierig es ist, gute Schreiberlinge zu bekommen, und die darum mit Freien zusammenarbeiten und diese gut bezahlen. Trotzdem musste ich an diese Wochen denken, als ich gesehen habe, dass Unternehmen 2 schon wieder neue Kolleg*innen sucht. Schade, dass Sie mich nicht einmal eingeladen haben zu einem Vorstellungsgespräch. Vor etwa 20 Jahren war dieses Unternehmen übrigens einer meiner besten Kund*innen. Aber wahrscheinlich ist heute keine*r mehr da, der sich an diese Zeit erinnert.
So what? Im Moment ist ja alles gut. Die nächste Talsohle kommt zwar sicher irgendwann – aber letztlich geht es ja immer weiter. Irgendwie.