Kaum ein Wort habe ich in den vergangenen Wochen häufiger gehört als ChatGPT. Eine Künstliche Intelligenz (KI), die wahre Wunder vollbringen können soll. Und zwar weit weg von den eher dümmlichen Gedichten, die viele Redakteure bei der KI quasi in Auftrag gegeben haben, vielleicht auch, um zu zeigen, wo sie ihre Schwächen hat. Leider habe ich bisher keinen Zugang zur Software, ich habe aber meine Mailadresse hinterlassen und soll eine Info bekommen, wenn wieder neue Nutzer*innen zugelassen werden. Aber, so hört man überall: ChatGPT und die Medienbranche – das ist ein spannendes Feld.
Bis ich Zugang erhalte, lese ich eine Menge zum Thema. Beispielsweise, dass die chinesische Suchmaschine Baidu schnell mit Ernie, einer eigenen KI nachgezogen hat. Und dass Microsoft jetzt bei ChatGPT eingestiegen ist. Für die Suchmaschine Bing könnte das einen ordentlichen Schub bringen, falls Suchmaschinen künftig noch genauso genutzt werden wie heute. Google hat ebenfalls schnell reagiert und Bard aktiviert. Diese KI hat aber wohl ausgerechnet in der Werbung für sie einen inhaltlichen Fehler gemacht.
Faktentreu ist ChatGPT noch nicht
Überhaupt, Fehler und Fakten. Da stehen uns mit der KI wohl noch einige Herausforderungen bevor. Das Handelsblatt ließ einen gefeaturten Einstieg von ChatGPT schreiben, der sich tatsächlich sehr gut liest, aber eben frei erfunden ist. So ist es auch im Buch „Schreiben mit ChatGPT in Schule, Uni und Beruf“ (Werbe-Link) von Christian Rieck und Kiara. Letztere könnte man des Verständnisses wegen vielleicht auch KI-ara schreiben, denn Christian Rieck, Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Finanzwesen, hat das Buch, so schreibt er, an einem Wochenende gemeinsam mit ChatGPT geschrieben.
Zurück zu den Fakten: Im Buch gibt es vor jedem Kapitel ein Zitat, nach jedem Kapitel einige kursiv geschriebene Zeilen. Nach dem Vorwort folgt eine Rezension von „Schreiben mit ChatGPT in Schule, Uni und Beruf“ von Marcel Reich-Ranicki aus der FAZ vom Januar 2023. Reich-Ranicki ist seit zehn Jahren tot. Insofern war mir sehr schnell beim Lesen des Buches klar, wo das Problem der KI liegt.
ChatGPT und Roboterjournalismus
Dieser Eindruck verstärkte sich, als es später im Präsens heißt, dass Vera F. Birkenbihl die ABC-Technik anwende. Auch sie ist seit 2011 tot, entsprechend müsste der Satz mindestens in der Vergangenheit geschrieben sein. Dem Thema „Zitate beziehungsweise Quellen erfinden mit der KI“ wird in dem Buch übrigens ein eigenes Kapitel gewidmet. Ich fürchte, nach Deep Fakes kommt so ein weiteres Problem beim Thema Fakten auf uns zu. Oder anders gesagt: Faktenchecker werden künftig wahrscheinlich noch viel mehr Arbeit haben.
Davon abgesehen halte ich es nach der Lektüre des Buches für sehr realistisch, dass sich meine Arbeit in den kommenden Jahren deutlich verändern wird. Zwar gibt es schon heute einen so genannten Robojournalismus, bei dem einfache Texte wie Fußballergebnisse oder Wetterinfos von einer KI geschrieben werden. Ich war vor Jahren auf einer Journalismuskonferenz in Hessen und habe dort erstmals Texte gehört und gelesen, die nicht von Menschen geschrieben werden. Ich konnte schon damals nicht erkennen, welche Meldungen von Journalist*innen kamen und welche von Robotern.
Wenn KI wie ChatGPT und die Medienbranche verschmelzen
Jetzt ist die Situation aber eine andere. Denn es geht nicht nur darum, dass Maschinen einfache Texte übernehmen sollen. Sie können auch komplexe Texte schreiben, und zwar nach der Vorgabe der Zielgruppe sowohl für ein Jugend-, aber auch für ein Finanzmagazin, für einen LinkedIn-Post oder für eine Rede. Damit solche eher schwierigeren Artikel gelingen, muss man sich quasi auf eine Unterhaltung mit ChatGPT einlassen, entnehme ich dem Buch von Rieck. Heißt: Entspricht das erste Ergebnis nicht ganz meinem Wunsch, kann ich es weiter schleifen (lassen), bis es passt. Christian Rieck rät dazu, Anweisungen so konkret, aber auch so kurz wie möglich zu machen. Man führt also eine Art Vorgespräch, Seed genannt. Ein Beispiel aus dem Buch: „Schreibe den Klappentext für ein Buch mit dem Titel „Schummeln mit ChatGPT – Eine Anleitung für Schreibfaule in Schule, Uni und Beruf“.
Auf dieses Vorgespräch folgt irgendwann der Prompt, die konkrete Aufgabe. Was ich dabei besonders interessant fand: Rieck nutzt ChatGPT auch als Kreativitätswerkzeug. Er lässt sich beispielsweise Ideensammlungen oder Mind Maps erstellen. Das ist eine tolle Möglichkeit, um für einen Artikel wirklich alle Aspekte zu bedenken. Und somit sind wir dann auch ganz schnell bei der Suchmaschinenoptimierung. Denn im Prinzip mache ich eine ähnliche Themensammlung bei jedem Onlineartikel, den ich schreibe. Unterstützung bekomme ich meistens von Answerthepublic, einer Internetseite. Wobei ich mich nun frage, ob ChatGPT den Artikel nicht auch gleich suchmaschinenoptimieren könnte. Das würde ich gerne ausprobieren – falls ich irgendwann den Zugang zur KI bekomme.
Auch Übersetzer*innen braucht man vielleicht bald nicht mehr
ChatGPT übersetzt übrigens nicht einfach Textstellen wie Deepl, sondern schreibt auch gleich ganze Texte in einer anderen Sprache. Auch hier ist sie dem heutigen Stand deutlich voraus. Vielleicht werden wir künftig also keine Übersitzer*innen mehr brauchen. Selbst einfache Code-Texte erstellt die KI auf Knopfdruck. Wird das das Ende der Programmier*innen sein? Und was, fragt sich Rieck und frage ich mich auch, passiert dann, wenn sich ChatGPT quasi selbstständig verbessern kann? Wird das das schon so oft vorhergesagte Ende der Menschheit sein? Das Zeitalter der Maschinenherrschaft?
Fakt ist: Es gab in der Vergangenheit viele Fehlprognosen – bezüglich Computern oder Autos beispielsweise. Jetzt zu behaupten, dass KI uns in Zukunft keine Kreativitätsjobs kosten wird, ist verfrüht. Ich denke, sie wird großen Einfluss auf meine Arbeit nehmen. Wie genau, wird sich zeigen. Berechtigt sind auch die Fragen, was aus der Lehre an Schulen und Universitäten wird. Warum sollte man Dinge lernen, die eine KI in Sekunden oder Minuten ausspuckt? Wie lässt sich so noch unterscheiden, wer kompetent ist, und wer schummelt? Die KI darum aber einfach zu verbieten oder auszusperren, wird nicht der richtige Weg sein.
ChatGPT und die Medienbranche: Was kommt?
Gute Nachrichten zum Ende: Die KI schreibt äußerst ungern über „böse“ Dinge wie Waffen, Atombomben oder das Leugnen des Klimawandels. Allerdings stellen sich natürlich die Fragen:
- Wer legt fest, was böse ist?
- Arbeiten Kriminelle schon daran, diese Sperren zu unterlaufen?
- Was wird dann die Folge sein?
Übrigens: Ich bin bereits zu meinem ersten Webinar eingeladen und bei einem VHS-Kurs zum Thema ChatGPT angemeldet. Das ist genau so innovativ, wie das Buch von Christian Rieck zu diesem Zeitpunkt. Ich habe zwar das Gefühl, dass in dem Buch manchmal auch viel KI-Nonsens steht. Aber alles in allem habe ich dadurch einige Ideen bekommen, wie ChatGPT und die Medienbranche zusammenpassen könnten. Und jetzt freue ich mich darauf, sie umsetzen zu können.
Das Buch habe ich kostenlos zur Rezension als PDF überlassen bekommen.
Update: In der Zwischenzeit habe ich Zugang zu ChatGPT. Meine Erkenntnisse werde ich zeitnah teilen.
Pingback: Wie ChatGPT meine Arbeit verändert - Bettina Blass